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Der Klub Schalom hört auf Volodimir

Volodimir Barskyy ist die Stütze der Gemeinde. Foto: Wanner

45 Jahre lang arbeitete Herr Barskyy als Mathematiklehrer in Tschernowitz. Aber die Rolle seines Lebens, die spielt er jetzt.
Von Helmut Wanner, MZ

REGENSBURG.Der kleine Herr Barskyy aus Tschernowitz, der Geburtsstadt von Joseph Roth, Rose Ausländer und Paul Celan, ist ein Phänomen. Volodimir Barskyy ist zwar kein Dichter. Er war in der Hauptstadt der Bukowina 45 Jahre Mathematiklehrer, leitete davon 20 Jahre ein Lyzeum mit 1000 Schülern und 80 Lehrkräften. Mit seiner Frau Klara hatte er drei Söhne.

Ich will etwas Gutes für meine Leute machen

Volodimir Barskyy

Aber das, was er macht, ist ein Gedicht: Nun, da der fünffache Opa und Uropa pensioniert ist, schaukelt er über 1000 Kilometer donauaufwärts ein neues Kind. Es ist der Altenclub der jüdischen Gemeinde, der ihm ans Herz gewachsen ist. Und auch dieses Baby hat sich zum erfolgreichen Projekt gemausert. Wenn er auch den Namen des Seniorenbeirats-Chef Josef Mös wie Moos ausspricht, ist Barskyy in Regensburg, Bayern und Deutschland mit dem Klub Schalom eine kleine Berühmtheit geworden, allein schon was die Integration angeht.

Im Schach ist der Klub eine Bank

Wenn er von seinem Klub Schalom spricht, hält es Barskyy nicht auf seinem Stuhl im Vorstandszimmer. Er steht wie vor einer imaginären Klasse. Stolz verweist er auf die Abteilung Schachsport, eine jüdische Domäne. Bekannterweise hatten 54 Prozent aller Schachweltmeister mindestens ein jüdisches Elternteil. Weltmeister Emanuel Lasker war Jude und gilt als der größte Schachspieler aller Zeiten. Vergangenes Jahr haben die Schachsenioren der Regensburger Gemeinde drei erste Plätze bei Städte-Turnieren geholt. Aber Schach ist nur ein kleiner Teil der Aktivitäten. Der Klub Schalom betreibt eine Bibliothek und ein reichhaltiges Kulturprogramm.

Jetzt feierte der Klub Schalom sein 15. Wiegenfest mit einem Konzert bei Freunden im Melanchtonsaal des evangelischen Bildungswerks. Denn das Gemeindeleben ist durch den Bau des Gemeindezentrums bis 2019 eingeschränkt. Über 100 Zuschauer waren zum Liedernachmittag mit dem Chor „Drushba“ gekommen. „Davon sangen 38 deutsche Leute mit bei Liedern wie Balalaika, Shalom und Als der Rebbe singt“, freut er sich.

Barskyy hatte dieses Ereignis wieder perfekt organisiert. Dabei wird er in diesem Jahr 80 Jahre alt. Der agile Senior ist in die Lücke gesprungen, die durch den Tod von Otto Schwerdt und Hans Rosengold entstanden ist. Barskyy, der erst in Regensburg richtig zu seiner jüdischen Identität finden konnte, spielt hier die Rolle seines Lebens: Er integriert die Senioren aus den GUS-Staaten ins Judentum und in die Stadtgesellschaft. Er ist das geölte Scharnier zum Rabbiner Josef Bloch. Jeden Schabbat telefoniert er einen Minjan zusammen und unterstützt den Rabbiner beim Synagogen-Gottesdienst. Und nach außen ist er zum Motor des gesellschaftlichen Lebens der jüdischen Gemeinde geworden.

Ilse Danziger hielt im Melanchtonsaal die Rede auf ihren rührigsten Vorstandskollegen. „Als vor 15 Jahren der Gedanke entstand, Kulturveranstaltungen mit jüdischem Hintergrund als feste Institution zu verankern, war uns allen nicht klar, ob dies in Regensburg funktionieren würde“, sagte sie. „Früher gab es zwar auch immer wieder einmal ein Konzert oder eine Lesung, aber mit sehr großem Abstand.“

Seit Volodimir die Sache in die Hände genommen hat, gibt es in Regensburg bis zu zehn jährliche Aktivitäten. Alles erfolgt „auf einem hohen organisatorischen Niveau“, streicht er heraus. Pro Abend erreicht Barskyy 80 bis 120 Personen. Was kriegt er dafür? Die Gemeinde ersetzt ihm die Busfahrkarte für die Linie 10 von Königswiesen Nord zum Dachauplatz. Was einem Freude macht, macht keine Mühe. „Ich will etwas Gutes für meine Leute machen“, sagt Barskyy. „Und siehst du, unsere Leute sind zufrieden.“

Kein Senior wird vergessen

In den 15 Jahren Klub Schalom gelang es Barskyy, Traditionen zu etablieren. Einige hatten schon in der Sowjetunion ihre Bedeutung. Jede Saison beginnt mit einer Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag. Im März gratuliert er den Frauen. Im Mai ehrt er die Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Um den 1. Mai gedenkt der Klub Schalom der Befreiung des KZ Dachau und verbindet das mit einem Kulturprogramm in München. Eine Woche vor dem jüdischen Neujahr führt er seine Leute zu berühmten jüdischen Orten in Bayern, Deutschland und Europa. Im Rahmen des Programms des Zentralrats der Juden in Deutschland verpflichtet er um Rosch Haschana eine bekannte jüdische Musikgruppe. Ende Oktober findet das traditionelle Otto-Schwerdt-Schachturnier in Regensburg statt.

Bei aller Umtriebigkeit ist Barskyy ganz wichtig, seinen Glaubensgeschwistern zu runden Geburtstagen zu gratulieren. „Wir vergessen niemand von unseren Senioren.“