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Frühmittelalter – Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit

In Regensburg befindet sich die älteste Judengemeinde Bayerns. Im Früh- und Hochmittelalter stellte die jüdische Gemeinde Regensburg eine der bedeutendsten in Deutschland dar, denn sie war das Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit und deswegen weit über die Stadt hinaus, in ganz Europa, bekannt.

 

Wie alles begann

Die Jüdische Gemeinde Regensburg stellte im Frühmittelalter eine der bedeutendsten in Deutschland dar. Ihre Anfänge werden in der Forschung vielfach diskutiert. Ein erster sicherer Beleg jüdischer Bevölkerung in Regensburg ist eine Urkunde aus dem Jahr 981, in der vom Verkauf des Gutes Schierstadt an das Kloster St. Emmeram die Rede ist. Der Verkäufer des Gutes war ein Jude. Urkunden um das Jahr 1020 bezeugen schließlich die Präsenz eines Judenviertels. Im elften Jahrhundert kann man von einem geschlossenen Judenquartier in Regensburg mit einer voll durchstrukturierten jüdischen Gemeinde in einer sogenannten Judengasse. Es gab eine Synagoge, einen jüdischen Friedhof und ein rabbinisches Gericht. Die Juden bewohnten dabei einen Stadtbereich, der heute rund um den Neupfarrplatz ist. Im Regensburger Judenquartier standen etwa dreißig mehrstöckige Häuser, die zumeist unterkellert waren und neben Wohnzwecken als Magazine, Depots und einfache Werkstätten dienten. Über die jüdische Bevölkerungsanzahl zu dieser Zeit ist wenig bekannt. Es kann davon ausgegangen werden, dass um 1400, also weit nach der Gründung der jüdischen Gemeinde, ungefähr 300 Gemeindemitglieder in der Stadt wohnten.

Regensburg als Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit

Durch den Handel traten die Regensburger Juden mit anderen Gemeinden Deutschlands in Kontakt, was zu einem regen geistigen Austausch zwischen diesen Orten führte. Die Talmudschule, welche viele Schüler zu Talmudgelehrten ausbildete, war im Mittelalter von großer Bedeutung. Die Regensburger Lehre wurde europaweit bekannt. Gelehrt wurde dabei in Regensburg vermutlich nicht in eigens dafür bestimmten Gebäuden, sondern in den Wohnungen der Gelehrten und in der Synagoge. Die Schüler aus ganz Europa wohnten meist bei Gemeindemitgliedern oder dem Lehrer. Die Chronik von Carl-Theodor Gemeiner über die Geschichte der Stadt Regensburg vermerkte 1824 dazu:

 Ein Rabbinatskollegium mit bekannten Gesichtern

Die Anfänge der Regensburger Talmudschule bleiben unbekannt. In rabbinischer Literatur wird von einem Kollegium von drei Rabbinern am Gericht in Regensburg zwischen 1150 und 1170 berichtet. Das Oberhaupt des rabbinischen Gerichts Bet Din stellte dabei Isaak ben Mordechaj dar. Zu dieser Gelehrtengeneration zählen auch Moses ben Joel und Efraim ben Isaak ben Abraham, der Große, einer der hervorragendsten Gelehrten seiner Zeit in Deutschland.

In der Zeit der Kreuzzüge veränderte sich das gesellschaftliche Klima. Deutlicher wurde diskutiert, wer oder was fremd oder vertraut war. Seit dieser Zeit war jüdisches Leben im Mittelalter nicht nur in Regensburg bedroht.

Trotzdem ließ sich eine weitere Gelehrtengeneration in Regensburg nieder. Sie lässt sich zwischen 1190 und 1230 fassen. Dabei nahm der Rabbi Jehuda ben Samuel ben Kalonymos he-Chassid, auch der Pietist genannt, eine bedeutende Rolle ein und wurde zum namhaftesten Gelehrten der Stadt.

Samuel he-Chasid, sein Sohn J(eh)uda he-Chasid und der Schüler Rabbi Elasar von Worms stellten eine besonders bekannte, eigene Bewegung innerhalb des Judentums dar, welche von damals einige Anhänger hatte. Die drei Genannten wurden als „die Frommen Deutschlands“ bezeichnet. Das gesamte „deutsche“ Judentum im 13. Jahrhundert wurde von den Schülern de J(eh)uda he-Chasid geprägt. Mit seinem Tod endete die Zeit Regensburgs als Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit, wenn dort auch noch während des 14. Jahrhunderts namhafte Talmudgelehrte tätig waren.

Die Ausgrabungen

1995 fanden Forscher die Überreste des ehemaligen jüdischen Viertels, als der Neupfarrplatz neu gestaltet werden sollte. Dabei wurde auch der überraschende Standort der ehemaligen Synagoge entdeckt, die zuvor unter der Neupfarrkirche vermutet wurde. Die Archäologin Silvia Codreanu-Windauer erinnert sich: „Bei der Ausgrabung habe ich das Gefühl gehabt, mich küsst die Weltgeschichte.“ Ein Teil der Ausgrabungsfläche ist heute öffentlich zugänglich. Bei einer Führung im document Neupfarrplatz lassen sich die Überreste des mittelalterlichen Quartiers unmittelbar betrachten.

Literatur:

Angerstorfer, Andreas: Die Regensburger Judengasse des 13. Jahrhunderts. In: Stadt und Mutter in Israel. Jüdische Geschichte und Kultur in Regensburg. Regensburg, 1990. S. 17-23.

Angerstorfer, Andreas: Ghetto und Synagogenarchäologie. In: Stadt und Mutter in Israel. Jüdische Geschichte und Kultur in Regensburg. Regensburg, 1990. S. 31-37.

Angerstorfer, Andreas: Rabbinisches Gericht und Talmudschule. In: Stadt und Mutter in Israel. Jüdische Geschichte und Kultur in Regensburg. Regensburg, 1990. S. 47-51.

Angerstorfer, Andreas: Regensburg als Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit im Mittelalter, in: Brenner, Michael / Höpfinger, Renate (Hrsg.): Die Juden in der Oberpfalz, München 2009, S. 9-26.

Angerstorfer, Andreas: Die Regensburger Talmudschule. Strahlkraft jüdischer Gelehrsamkeit. In: Himmelstein, Klaus: Jüdische Lebenswelten in Regensburg. Eine gebrochene Geschichte. Regensburg 2018. S. 30-45.

Codreanu-Windauer, Silvia / Wanderwitz, Heinrich: Das Regensburger Judenviertel. Geschichte und Archäologie. In: Schmid, Peter (Hrsg.): Geschichte der Stadt Regensburg, Bd. 1. Regenburg 2000. S. 607-633.

Luber, Ulrike: Jüdisches Leben in Regensburg von 981-1998. Möglichkeiten zur unterrichtspraktischen Umsetzung. Regensburg 1999.

Bilder: Stadtbildstelle Regensburg, Privatfotografie Julia Bauer