Als Schirmherrin konnte die Stadt Regensburg TV-Kommissarin Adele Neuhauser gewinnen. Sie hat einen familiären Themenbezug.
Von Helmut Wanner , MZ
REGENSBURG.Für nicht wenige Menschen in Regensburg ist die Baugrube der jüdischen Gemeinde am Brixner Hof die bedeutendste Baustelle in Regensburg. Denn hier wird eine Stadt-Wunde geschlossen. Die Errichtung der Synagoge und des Gemeindezentrums ist für Rabbi Josef Bloch ein wichtiges Zeichen.„Ein Haus Gottes, gefallen von böser Hand, wird wieder aufgerichtet.“
„Du kratzt 50 Zentimeter Humus weg und stößt aufs Mittelalter.“Peter Wismath
Die Synagoge wird Ende Februar 2019 eingeweiht werden. Der Termin ist bewusst gewählt. Ein traumatisches Ereignis in der Geschichte der Regensburger Juden jährt sich zum 500. Mal. Um den 24. Februar 1519 wurde die Regensburger Gemeinde „ausgeschafft“, die gotische Synagoge am Neupfarrplatz niedergerissen, das Judenviertel aufgelöst.
Und es wird 107 Jahre nach der Einweihung der Jugendstil-Synagoge sein. Am 29. August 1912 hatte Bürgermeister Geßler bei seiner Ansprache Bezug auf die Vertreibung der Juden genommen. Er sagte: „Allein der Fortschritt der Kultur und Gesittung hat in unserem Vaterlande hoffentlich für immer derartige Ausbrüche konfessioneller Leidenschaft unmöglich gemacht.“ In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 löste sich diese Hoffnung in Flammen auf.
Am Mittwoch, 19. Oktober, 11 Uhr, ist Grundsteinlegung der Synagoge. 250 Einladungen hat Ilse Danziger, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, verschickt. Neben den Spitzen des gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens wurden alle Nachbarn eingeladen. Sechs Hämmer ließ Ilse Danziger vom Baumarkt holen. Einen für Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, einen für Hanna Zisler, die Vizepräsidentin des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, weitere für Dieter Weber vom Förderverein, Per Pedersen vom Team der Staab-Architekten und für die prominente Schirmherrin. Es ist Adele Neuhauser. Der Termin der Grundsteinlegung wurde mit dem Kalender des Tatort-Stars abgestimmt. Das ehemalige Ensemblemitglied des Regensburger Stadttheaters ist vielen in der Rolle des Mephisto in Erinnerung. „Mit Neuhauser wurde von der Stadt Regensburg die ideale Schirmherrin gefunden“, meint Dieter Weber. Sie habe eine Beziehung zu Regensburg, sei bekannt und habe zudem einen inneren Bezug zum Thema. Der Vorsitzende des Fördervereins: „Ihre christliche Urgroßmutter war in zweiter Ehe mit einem jüdischen Arzt verheiratet. Sie ging mit ihrem Mann freiwillig nach Theresienstadt. Ihr Mann wurde ermordet, sie überlebte.“
Es ist ein kalter, regnerischer Nachmittag. Das Archäologen-Team der Adilo GmbH macht letzte Vermessungen, während sich am Bauzaun Ilse Danziger mit dem Regensburger Architekten Peter Wismath von Dömges verabredet hat. Am Vorabend des Versöhnungstages, Jom Kippur, werden die letzten Details der Grundsteinlegung besprochen. Das Architekturbüro Volker Staab aus Berlin, das den Wettbewerb gewonnen hat, habe für den kommenden Mittwoch einen Spatenstich vorgeschlagen, sagt der Dömges-Architekt, dem die Bauleitung übertragen wurde. Aber kann man hier einen Spaten ansetzen? „Du kratzt 50 Zentimeter Humus weg und stößt aufs Mittelalter“, sagt Wismath. Der Architekt ist beeindruckt von der Baugrube. Er blickt auf Mauerreste der Koch-Synagoge. Spitzbögen tauchen auf und alte Quader. „Jeder Quadratzentimeter ist hier mit Geschichte beladen.“ Am Bauzaun kann man auch die Überreste des Eichstätter Hofes sehen, bis 1802 Sitz der russischen Gesandtschaft am Immerwährenden Reichstag. Diese steinernen Zeugen im Welterbe lässt der Bauherr unangetastet. In der Mitte des Grundstücks ragen vier Stahlrohre etwa einen halben Meter heraus. Es sind Probebohrungen. Insgesamt werden 80, mit Zement ummantelte Mikrobohrpfähle in den Untergrund getrieben. Peter Wismath: „Die Bodenplatte steht auf diesen Pfählen. Sie reichen bis zum Sandstein.“
Die Bauherren haben sich zum Ziel gesetzt, dass die Bodenplatte bis zum Jahresende steht. Nach den Worten des bauleitenden Architekten wird darauf 2017 die Betonkonstruktion errichtet. Davor soll eine edle Vorsatzschale aus beige geschlämmten Klinkern gesetzt werden
Die Fassade soll die Farbigkeit des Kalksteins am Dom aufnehmen und ein Zeichen der Zusammengehörigkeit setzen. Der Synagogenraum selbst wird eine Metallhülle bekommen, die von Lichtschlitzen durchbrochen ist. Diese sorgen im Gebetsraum für gedämpftes Tageslicht und eine kontemplative Stimmung. Dafür sorgt die transparente Synagogenhaube, eine Holzkonstruktion, die auf den Betonkorpus aufgesetzt wird und das Tageslicht in den Innenraum schimmern lässt.
Gebetet wird im ersten Stock. Das geht aufgrund der räumlichen Enge hier nicht anders. Wie in allen Synagogen wird es eine Frauenempore geben, den Gebetsbereich für die Männer, den Tora-Schrank in der Ostwand und die Bima, das Gebetspult, auf das die Tora-Rollen während der Verlesung gelegt werden.
Im Unterbau der Synagoge liegt der Gemeinderaum. Mit großen Schiebeelementen kann der Raum im Sommer auf den Hof hin geöffnet werden. In dessen Mitte wird ein Baum gepflanzt. Der Gingko, den Hans Rosengold 1971, anlässlich der Einweihung des Gemeindemehrzwecksaals für 120 Personen, setzen ließ, musste den Planungen geopfert werden. Von den Politikern, die vor mehr als 45 Jahren der Einweihung beiwohnten, lebt nur noch der ehemalige MdL Wilhelm Gastinger.
Von 50 Seelen 1971 ist die Gemeinde auf fast 1000 angewachsen. Nun darf Ilse Danziger erleben, dass mit Hilfe des Staates, der Stadt und der Bürger die alte Wunde am Brixner Hof geschlossen wird. Sie leitet den notwendigen auf rund acht Millionen geschätzten Synagogenbau, zu dem Otto Schwerdt und Hans Rosengold am Ende die Kräfte gefehlt hatten. Eine Million Euro muss die Gemeinde Eigenmitteln einbringen. Der Spendenstand beziffert Dieter Weber auf über 300 000 Euro. „Im Vergleich zu Ulm und Würzburg ist das sehr viel.“ Vom neuen Gemeindezentrum verspricht sich Danziger einiges. Vor allem, dass sich das jüdische Leben entfalten kann. Da werde auch endlich Platz für menschliche Kapazitäten sein: Sie kann sich vorstellen, dass ein Chor gegründet wird. Es wird Raum geben für alle Arten von Musik, Theater und auch Tanz.
Zwei Jahre muss improvisiert werden. Die 64-Jährige ist glücklich, für die Zwischenzeit Übergangsräume gefunden zu haben. In zwei Ausweichwohnungen kann jüdisches Leben stattfinden. Die eine ist ein ehemaliges Großraumbüro einer Versicherung, das man mit Wänden unterteilt hat. Das Vorstandszimmer ist zugleich Unterrichtsraum. Um den Tisch haben zwölf Stühle Platz. Hier wird Kindern Religion unterrichtet, Senioren Deutsch vermittelt und ein Hebräischkurs angeboten. Die Gemeindebibliothek wurde in einer leerstehenden Wohnung im Nachbarhaus etabliert. Hier findet vorübergehend auch die koschere Küche Platz. Dort sind auch die Räume für den Klub Shalom und den Schachklub, dessen alljährliches Turnier den Namen Otto Schwerdts trägt.
Die Gemeinde unter Hans Rosengold und Otto Schwerdt war offen. Ilse Danziger will den Weg weitergehen. Eine geplante jüdische Bibliothek mit öffentlichen Café ist ein Symbol dafür. Sie enthält Bestände, die der verstorbene ehemalige Generaldirektor der Bayerischen Bibliotheken, Prof Dr. Eberhard Dünninger, der jüdischen Gemeinde aus seinem Privatbesitz vermacht hat. Sie will andererseits auch wieder offen sein für alle Regensburger Nutzer. Das Buch als Mittel gegen Schwellenangst, passt gut zur Religion des Buches.
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