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1519 – Zerstörung und Vertreibung

Die zunehmende Entfremdung im Spätmittelalter führte 1519 zu einem antijüdischen Fanal: Als der Kaiser starb und damit den Juden keinen Schutz mehr bot, nutzten Stadtrat und Bürgerschaft die Gelegenheit, sich der Juden zu entledigen: Sie wurden vertrieben, ihr Friedhof geschändet, ihre Synagoge zerstört.

 

Zeichen einer lebendigen Gemeinde – die erste Synagoge

Der Tatsache entsprechend, dass sich in Regensburg die älteste undeine überaus bedeutende jüdische Gemeinde im Mittelalter befand, gab es hier einen bedeutenden Synagogenbau. Die Geschichte dieses Gebäudes war ebenso interessant wie typisch. Etwa in der Mitte des 11. Jahrhunderts wurde die erste Synagoge gebaut, im folgenden Jahrhundert aber durch einen Brand schwer beschädigt. Zuerst orientierte sich der Bau an den Formen der Romanik, die Reparatur der Brandschäden erfolgte im dann schon üblichen gotischen Stil. Die Synagoge wurde zugleich auch als religiöse Schule benutzt.

 

Zeichnungen von Albrecht Altdorfer kurz vor der Zerstörung der Synagoge

Ein plötzliches Ende – die Zerstörung der Synagoge (Februar 1519)

Mit dem Tod des Kaisers Maximilan I. verlor die jüdische Gemeinde ihren Schutzherren. Rat und Bürger der Stadt Regensburg machten sich diese Phase zunutze und beschlossen Vertreibung der Regensburger Juden aus ihrer Stadt. Auch die Synagoge sollte zerstört und der Friedhof aufgelöst werden. Allein die Tatsache, dass der Regensburger Maler Albrecht Altdorfer den Synagogenbau noch zeichnen wollte, sorgte für eine kurze Verschiebung des Abbruchs. Etliche Grabsteine vom jüdischen Friedhof wurden geschändet und in Regensburger Häusern verbaut. Innerhalb von zwei Wochen – vom Ratsbeschluss bis zur Vertreibung – wurde ein 500 Jahre dauerndes Miteinander rücksichtslos ausgelöscht.

Der Chronist Leonhart Widmann hat diese Ereignisse im 19. Jahrhundert so beschrieben:

Wiederentdeckung (1995)

Bei Ausgrabungen zwischen 1995 und 1997 wurden die Überreste der alten Synagoge freigelegt. Dies war eine Überraschung für die Archäologen, nahm man doch Jahrhunderte an, dass die Neupfarrkirche über der ehemaligen Synagoge errichtet worden sei. Dies stellte sich als falsch heraus, die Synagoge befand sich westlich dieses Standorts. In Erinnerung an die ehemalige Synagoge errichtete die Stadt nach den Plänen des israelischen Künstlers Dani Karavan 2005 ein begehbares Denkmal, das den Grundriss der Synagoge mit Säulen und Thoraschrein nachzeichnet.

Karavan-Denkmal am Neupfarrplatz (im Vordergrund hebräisch: misrach = Osten)

 

Literatur

Codreanu-Windauer, Siliva / Müller-Reinholz, Peter / Päffgen, Bernd: Das jüdische Viertel im mittelalterlichen Regensburg und die Ausgrabungen am Neupfarrplatz. In: Himmelstein, Klaus: Jüdische Lebenswelten in Regensburg: Eine gebrochene Geschichte, Regensburg 2018. S. 14-21.

Codreanu-Windauer, Silvia / Ebeling, Stefan: Die mittelalterliche Synagoge Regensburgs. In: Böning-Weis, Susanne u.a. (Hrsg.): Monumental. Festschrift für Michael Petzet zum 65. Geburtstag am 12. April 1998. München 1998. S. 449-464.

Codreanu-Windauer, Silvia: Regensburg: Archäologie des mittelalterlichen Judenviertels, in: Cluse, Christoph (Hrsg.): Europas Juden im Mittelalter. Trier 2004. S. 468-475.

Hetzenecker, Karin: Jüdische Geschichte und Kultur in Regensburg I: Basisinformationen zum Führungsschwerpunkt „Juden in Regensburg“. Regensburg 2000. S. 15-16.

Krämer, Rainer: 1000 Jahre Judentum in Regensburg (500 – 1500). Ein Lesebuch jüdischer Geschichte. Berlin 2016. S. 68-71 und 114-117.

Nickel, Veronika: Gewalt und Repression gegen die Regensburger Juden bis zu ihrer Vertreibung 1519. In: Himmelstein, Klaus: Jüdische Lebenswelten in Regensburg: Eine gebrochene Geschichte, Regensburg 2018. S. 81-91.

Schott, Sebastian: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Regensburg im Mittelalter, in: Angerer, Martin; Wanderwitz, Heinrich (Hrsg.): Regensburg im Mittelalter. Beiträge zur Stadtgeschichte vom frühen Mittelalter bis zum Beginn der Neuzeit. München 1992. S. 251-258.

Schwarz, Meier (Hrsg.): Mehr als Steine … Synagogen-Gedenkband Bayern. Band 1. Lindenberg im Allgäu 2007. S. 261-264.

Wittmer, Siegried: Jüdisches Leben in Regensburg. Vom frühen Mittelalter bis 1519. Regensburg 2001. S. 33-36.

Bilder: Stadtbildstelle Regensburg (Karavan), Dietz, Karlheinz / Waldherr, Gerhard (Hrsg.): Berühmte Regensburger Lebensbilder aus zwei Jahrtausenden. Regensburg 1997. (Albrecht Altdorfer)