Bereits um das Jahr 1000 waren jüdische Bürger in Regensburg fester Teil der Stadtbevölkerung. Sie waren als Händler und Finanziers integriert. Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich diese Akzeptanz - mit Ausnahmen – in Misstrauen und Unmut. Nach zahlreichen Pogromen und Prozessen gipfelte diese Entwicklung in der Vertreibung der Juden 1519.
Judenprivilegien durch Bischof Rüdiger von Speyer und Kaiser Heinrich IV. (1084-1090)
Das erste bekannte Judenprivileg stammt aus dem Jahr 1084 und wurde von Bischof Rüdiger von Speyer für die Juden seiner Stadt verfasst. Dieses Privileg wurde nicht nur in der Gegend um Speyer umgesetzt, sondern bezog sich auf das komplette Reichsgebiet und somit auch auf Regensburg. Darin wurde festgeschrieben, dass den jüdischen Bürgern ein Wohnviertel zustand, das baulich abgesperrt von der christlichen Bevölkerung sein musste. Außerhalb dieses Gebiets durften die Juden nicht siedeln. Außerdem wurden weitere Regelungen festgelegt, darunter die Handels- und Gewerbefreiheit, ein Begräbnisplatz, das Recht auf einen Gemeindevorsteher für Streitfragen und die Erlaubnis, unreines Fleisch an Christen zu verkaufen.
Bekräftigt wurde dieses Privileg 1090 durch Kaiser Heinrich IV., der ein kaiserliches Privileg für die Juden von Worms verabschiedete, in dem die Vereinbarungen von 1984 aufgegriffen wurden. Auch dieses war für das ganze Reich zu verstehen. Der Hintergrund dieser Privilegien war allerdings nicht christliche Nächstenliebe, wie sie zur damaligen Zeit gepredigt wurde, sondern vielmehr der Wunsch des Kaisers weiterhin auf Juden als Geldgeber für die Reichskasse zugreifen zu können. Die Judenpogrome bedeuteten eine Gefahr für die kaiserliche Schatulle.
Die Judensau am Regensburger Dom (14. Jahrhundert)
Die Judensau am Regensburger Dom bezeichnet eine im Hochmittelalter entstandene Steinskulptur, die die Juden verhöhnte. Das Bildmotiv befindet sich außen an einem Wandpfeiler am Südeingang des Doms und wurde im 14. Jahrhundert dem Bau hinzugefügt. Die dargestellten Figuren tragen die zu dieser Zeit übliche Judentracht, bestehend aus einem Mantel und einer Mütze. Sie saugen wie Ferkel an den Zitzen einer Sau. Mit dieser Darstellung sollten die Juden gezielt gedemütigt werden, da das Schwein im Judentum als unrein gilt und ein Verzehr verboten ist.
2005 wurde unter der Judensau eine Hinweistafel angebracht, die die ursprüngliche Bedeutung dieses Motives erklären soll. Die Hinweistafel sorgt seit ihrer Anbringung für Diskussionen unter Historikern und Wissenschaftlern und wurde 2014 sogar gestohlen.
Integration trotz Judenpogromen (1298-1335/1338)
Dass Juden aufgrund ihrer Religion die Eucharistie ablehnten, stieß bei vielen Christen im Reich auf Unmut und brachte besonders Radikale in Rage. So dauerte es nicht lange, bis Gerüchte darüber entstanden, dass die Juden angeblich die Hostien der Christen schändeten. Die Kombination aus diesen Gerüchten und dem Neid vieler armer verschuldeter Christen auf die wirtschaftlich häufig erfolgreichen Juden hatte schließlich Pogrome gegen die Juden im Reich zur Folge.
Doch die Regensburger Bürger hielten zu ihren jüdischen Nachbarn und beschützten sie. Im Jahr 1298 beispielsweise führte ein Fanatiker namens Rindfleisch eine Horde aufgebrachter Menschen von Würzburg bis nach Regensburg, um gegen die jüdischen „Hostienschänder“ vorzugehen. Dieser Marsch ist auch bekannt als Rindfleischpogrom. Die Regensburger ließen ihre Tore aber verschlossen. Ihnen schien die Bestrafung der Juden ohne Grund nicht hinnehmbar. Die Anhänger Rindfleischs mussten wieder abziehen.
Eine ähnliche Situation ergab sich von 1335 bis 1338 während des Armlederpogroms. Der Name stammte von dessen Initiator, einem Ritter mit dem Namen Armleder, der mit seinen etwa 5000Getreuen unterwegs war, die sich als Erkennungszeichen ein Stück Leder um den Arm schnürten. Sie waren auch bekannt als die „Judenschläger“. Die mordenden Horden zogen durch Franken, Schwaben, Bayern und Österreich. Mehrere tausend Juden fielen ihnen zum Opfer. Doch die Reichsstadt Regensburg blieb verschlossen, denn der Rat sah nicht die Juden Regensburgs als Feinde, sondern die Armledergetreuen.
In Anbetracht dieser beiden Fälle, in denen die Regensburger ihrer jüdischen Gemeinde Schutz boten und die Juden integrierten, kann Regensburg als eine fortschrittliche Stadt gesehen werden, in der schon im Mittelalter eine religiöse Koexistenz möglich war.
Der Ritualmordprozess (1476)
Im Jahr 1476 reiste der Bischof von Regensburg über Trient nach Rom. Bei seinem Aufenthalt in Trient wurde er Zeuge eines dort stattfindenden Ritualmordprozesses, in dem einige Juden angeklagt waren, ein Christenkind umgebracht und mit dessen Blut religiöse Rituale durchgeführt zu haben. Einer der Angeklagten war ein ehemaliger jüdischer Bürger Regensburgs, der unter den Qualen seiner Folter behauptete, dass auch in Regensburg solche Morde an Christenkindern durchgeführt worden waren. Diese Behauptungen entbehrten jeder Grundlage und der Gefolterte wollte mit diesen Aussagen nur weiteren Folterungen entgehen, doch er wurde schließlich zum Tode verurteilt.
Mit der Nachricht und mehreren Namen jüdischer Bürger aus Regensburg, die mit diesen Ritualmorden in Regensburg etwas zu tun haben sollten, kehrte der Bischof nach Regensburg zurück. Kurze Zeit später wurden 17 Juden verhaftet und einige gestanden unter qualvoller Folterung die haltlosen Behauptungen, die ihnen vorgeworfen wurden. Das Judenviertel wurde abgesperrt und der Rat inszenierte Grabungen nach den vermeintlichen Kinderleichen. Es wurden schließlich auch Leichen gefunden, allerdings hatte der Rat diese dort zuvor platzieren lassen. Die breite Bevölkerung war aber von der Schuld der Juden überzeugt und so wurden drei Häuser im Judenviertel angezündet.
Selbst die Intervention des Kaisers brachte nicht die erhoffte Beruhigung, doch konnte dieser zumindest aushandeln, dass die inhaftierten Juden nicht zum Tode verurteilt wurden, sondern nach der Zahlung einer hohen Geldsumme sowohl an ihn als auch an den Regensburger Rat nach fünf Jahren Haft freikamen.
Die Vertreibung der Juden (1519)
Kaiser Maximilian I. starb überraschend am 17. Januar 1519. Als Schutzherr und Privilegiengeber der Juden im Reich fiel er somit aus. Die Juden waren ohne Schutz bis zur Wahl des nächsten Kaisers. Diese Situation nutzen die Regensburger Handwerker aus und marschierten am 21. Februar zum Rathaus und beschwerten sich beim Rat darüber, dass aller Handel in die Hände der Juden gefallen sei und sie unter diesen Bedingungen nicht mehr leben konnten. Als Lösung schlugen sie die Vertreibung der Juden aus der Stadt vor.
Der Rat, der immer ein Fürsprecher der Juden gewesen war, fand in der Vertreibung der Juden allerdings auch einen Vorteil für sich und stimmte dem Vorhaben zu. Am nächsten Tag wurde den jüdischen Bürgern mitgeteilt, dass sie die Stadt bis zum 26. Februar verlassen müssten. Unter großem Leid packten die Juden ihr Hab und Gut, zerstörten das Innere ihrer Synagoge, damit sie nicht von den Christen geschändet werden konnte und verließen unter eisigen Temperaturen mit Alten, Kranken und Kindern die Stadt.
Einige konnten sich in Stadtamhof ansiedeln, doch viele mussten in die Ferne ziehen, bis sie andernorts eine Heimat fanden. Kaum waren die Juden aus Regensburg vertrieben, wurden der jüdische Friedhof und die Synagoge abgerissen. Auf dem Fundament der Synagoge wurde eine Marienkapelle für eine katholische Wallfahrt errichtet und auch vom Judenviertel war schon bald nichts mehr zu sehen. Das also war das Ende einer der ältesten und bedeutendsten mittelalterlichen Judengemeinden.
Literatur
Himmelstein, Klaus: Jüdische Lebenswelten in Regensburg: Eine gebrochene Geschichte. Regensburg 2018. S. 14-66 und 81-91.
Krämer, Rainer: 1000 Jahre Judentum in Regensburg (500-1500): Ein Lesebuch jüdischer Geschichte von Regensburg. Berlin 2016. S. 55-61; S. 114-206; S. 239-279.
Nickel, Veronika: Gewalt und Repression gegen die Regensburger Juden bis zu ihrer Vertreibung 1519. In: Himmelstein, Klaus: Jüdische Lebenswelten in Regensburg: Eine gebrochene Geschichte, Regensburg 2018. S. 81-91.
Reichert, Konstanze: Das Verhältnis von Juden und Christen im Bistum Regensburg im Mittelalter: unter besonderer Berücksichtigung der übergreifenden Zusammenhänge. Regensburg 1988.
Wagner, Mathias: Umstrittene Dominschrift wurde gestohlen. In: Mittelbayerische 28.07.2014, Online: https://www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/umstrittene-dom-inschrift-wurde-gestohlen-21179-art1099250.html (20.02.2019).
Wittmer, Siegfried: Jüdisches Leben in Regensburg. Vom frühen Mittelalter bis 1519. Regensburg 2001. S. 11-13; S. 19-22; S. 33-27; S. 65-100; S. 129-150.
Bildquellen
Stadtbildstelle Regensburg, Privatfotografien Lukas Weichselgartner
Darstellung des angeblichen Ritualmords an sechs Regensburger Knaben (Rader, Matthäus: Bavaria Sancta Band III. München 1627. S. 173. Online: https://de.wikipedia.org/wiki/Ritualmordlegende#/media/File:SEX_PUERI_RATISPONAE.jpg, 20.2.2019)