1700 Jahre jüdische Geschichte
20. April 2021
Ausstellung ERINNERUNG
7. Juni 2021

Jüdische Historie Regensburg

Von Harald Raab

Seit 1700 Jahren gibt es jüdisches Leben in Deutschland. Mit seinen prägenden Beiträgen zur deutschen Kultur, zur wirtschaftlichen Entwicklung. Ein Teil der deutschen Geschichte ist jüdisch. Auch in Regensburg hat die Religion eine lange Geschichte. Die Erinnerung an 1700 Jahre Judentum in Deutschland darf aber auch jene dunklen Epochen nicht ausblenden, die geprägt waren von Ausgrenzung, Vertreibung, Erniedrigung und Mord. Die Skala wechselhafter jüdischer Existenz lässt sich wie unter einem Brennglas in Regensburg nachvollziehen.

Ist doch die Stadt durchwirkt von jüdischen Lebenslinien, individuellen und sozialen. Das ist zu beobachten von ihrer römischen Gründung an, in ihrer mittelalterlichen Bedeutung als Fernhandels-metropole, ihrer Reichstagsvergangenheit, der Reformation sowie bischöflicher und klösterlicher Dominanz, bis hin zur Moderne, zur mörderischen Naziherrschaft samt Kriegskatastrophe, zur Restauration und wirtschaftlich-industrieller Aufholjagd. Wenn es so etwas wie christlich-jüdische Kultur und Schicksalsgemeinschaft gibt, dann ist Regensburg davon tief durchdrungen. Vermutlich kamen jüdische Händler bereits mit den Römern an den nördlichsten Punkt der Donau. Der älteste schriftliche Nachweis von Juden in Regensburg ist die Bestätigung des Verkaufs des Landgutes Scierstat durch den Juden Samuel an das Kloster St. Emmeram am 2. April 981. Das Mittelalter-liche Judenviertel mit seinen 40 Wohneinheiten ist auf den Ruinen römischer Offiziershäuser errichtet worden.

Es existierte bis zu seiner Zerstörung 1519 immerhin 600 Jahre. Lange verlief das Neben-einander von Christen und Juden friedlich. In die Blütezeit des Fernhandels waren Juden eingebunden. 1096, als Kreuzritter von Regensburg aus zur Eroberung des heiligen Landes aufbrachen, kam es zur ersten Vertreibung, zur Zwangstaufe in der Donau. Ein Jahr später erlaubte Kaiser Heinrich IV.  die Rückkehr. Im Mittelalter war die Regensburger Gemeinde eine der angesehensten. Ihre Talmudschule und ihr rabbinisches Gericht besaßen Strahlkraft weit über die Grenzen des Römischen Reiches deutscher Nation hinaus. Hier wirkten der Talmudist Rabbi Ephraim, der weit gereiste Rabbi Petachja und Rabbi Jehuda, Verfasser der „Sefer Chasidim“ (Buch der Frommen). Das Jahr 1519 geht als besonders verhängnisvoll in die Geschichte Regensburgs ein: Der Reichtum der Stadt und auch der Jüdischen Gemeimde, bezeugt durch die frühgotische Synagoge, waren längst Vergangenheit. Mit der Zerstörung des Judenviertels samt Synagoge und der Vertreibung der Juden, waren Regensburgs Bürger auch die Schulden bei jüdischen Geldverleihern los. Selbst das Kloster St. Emmeram hatte im 13. Jahrhundert ein Messbuch verpfändet.

Als Regensburg 1663 zur Stadt des Immerwährenden Reichstags wurde, kamen jüdische Menschen als „Schutzjuden“ zurück.  1803 gab Kurfürst Carl Dalberg ihnen das kleine Bürgerrecht. Die volle Gleichstellung gab es ab 1871. Die jüdische Gemeinde Regensburg blühte auf und errichtete als Zeichen neuen Selbstbewusstseins an der Schäffnerstraße eine repräsentative Synagoge. Sie wurde 1912 eingeweiht. 1938 wurde die Synagoge in Brand gesteckt und abgerissen. Jüdische Männer wurden in einem „Schandmarsch“ durch die Stadt getrieben. Eine bürgerlich aufgeklärte, katholisch geprägte Stadtgesellschaft sah zu, ließ den Kulturbruch geschehen. Er bedeutete für viele jüdische Familien Ermordung in NS-Vernichtungslagern. Und trotzdem: Jüdisches Leben entwickelte sich nach dem Sieg über Nazi-Deutschland neu in Regensburg.

Hans Rosengold und Otto Schwerdt sorgten konsequent für die Integration jüdischer Kultur. Das von Rosengold initiierte Bodenrelief an der Stelle der zerstörten mittelalterlichen Synagoge am Neupfarrplatz ist als Schöpfung des israelischen Künstlers Dani Karavan weltberühmt. Das Gemeindezentrum mit Synagoge, 2019 eingeweiht, ist ein architektonisches Juwel in der Altstadt. Die Jüdische Gemeinde zu Regensburg ist mit ihren über 1000 Mitgliedern lebendiger Bestandteil dieser Stadtgesellschaft. Die Hoffnung ist berechtigt, dass diese aus der Geschichte gelernt hat: Nie wieder Antisemitismus!