Jüdische Gemeinde feiert 80 Jahre nach der Zerstörung Richtfest ihrer neuen Synagoge
Von Lucia Seebauer
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 organisierte das nationalsozialistische Regime die Reichspogromnacht. Gauleiter Fritz Wächtler befahl, die Synagoge in der Stadt niederzubrennen. Nach nun rund 80 Jahren feierte die jüdische Gemeinde am Mittwoch das Richtfest des Neubaus.
„Mich macht das fassungslos“, betonte Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer in ihrem Grußwort am Dienstagvormittag. Immer wieder gibt es antisemitische oder fremdenfeindliche Übergriffe. Dabei sei es wichtig, ein Zeichen für Toleranz, Gemeinschaft und gegen Ausgrenzung zu setzen. Mit dem Bau einer neuen Synagoge soll genau das geschehen: „Nach nun fast 80 Jahren findet die jüdische Gemeinde im Herzen von Regensburg wieder ihren Platz. Damit wird das sakrale Dreieck aus katholischem Dom, protestantischer Neupfarrkirche und jüdischer Synagoge wiedererstehen.“
Den Platz braucht die jüdische Gemeinde, denn sie ist gewachsen: „In den letzten zwanzig Jahren kamen viele aus der ehemaligen Sowjetunion zu uns. Etwa 1000 Menschen zählen inzwischen zu unserer Gemeinschaft“, erklärte Rabbiner Josef Chaim Bloch beim Richtfest. In dem neuen Gebäude soll neben Gebet und religiöser Besinnung auch kulturelle und soziale Arbeit stattfinden.
Regensburgs Stadtgeschichte ist stark mit der jüdischen Kultur verbunden. „Im Jahr 981 wird die jüdische Gemeinde zum ersten Mal in den historischen Quellen der Stadt erwähnt“, sagte Ilse Danziger, Vorstandsvorsitzende der jüdischen Gemeinde in Regensburg. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurde die erste Synagoge erbaut. 300 Jahre später wurden die Juden zum ersten Mal aus der Stadt vertrieben und das Gebetshaus zerstört. Erst im 19. Jahrhundert siedelten sich wieder Juden an.
Nach Axel Bartelt, dem Regierungspräsidenten der Oberpfalz, war der Neubau der Synagoge längst überfällig. „Nachdem vor 80 Jahren die zweite Synagoge in Regensburg zerstört wurde, klaffte eine große Wunde in der Altstadt.“ Damit spielte er auf die sogenannte Reichskristallnacht an. Nationalsozialisten verbrannten das Gebetshaus, das 1912 gebaut wurde. Zusätzlich
wurden massenhaft jüdische Mitbürger verhaftet und ihre Geschäfte zerstört.
Allein das Gebäude, welches sich neben der Synagoge befand, blieb übrig. „Es wurde zu einem Mehrzweckgebäude mit einem Gebetssaal. Das neue Gebäude soll der Gemeinde mehr Raum geben“, forderte auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der Neubau soll diese Wunde in der Altstadt nun wieder schließen und wird direkt neben das ehemalige Gemeindezentrum gebaut.
Die Synagoge ist ein Herzensprojekt von Ilse Danziger. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Gemeinde träumte sie lange von dem, was nun Realität wird und Form annimmt. „Vor wenigen Jahren führten wir einen Realisierungswettbewerb durch. Danach ging alles nach und nach voran.“ Gewonnen hat diesen Wettbewerb Architekt Volker Staab von der Staab Architekten
GmbH. „Wir haben viel gelernt in dieser Zeit“, meinte er.
Für den Entwurf des jüdischen Gemeindezentrums und der Synagoge mussten zwei scheinbare Widersprüche gelöst werden: „Zum einen sollte ein offener Ort für das Gemeindeleben entstehen und zum anderen ein Neubau in zeitgemäßer Architektursprache, der sich zwanglos in die historische Altstadt einfügt.“ Beim Richtfest war Staab froh, dass der Bau ohne weitere Probleme und Schäden vonstattenging. Und auch der Zeitplan wurde fast ohne Verzögerungen eingehalten. Der fünf Millionen Euro teure Bau erhielt bundesweit Aufmerksamkeit. „Wir haben für dieses Premiumprojekt des Städtebaus 3,3 Millionen Euro aus Bundesmitteln gewinnen können“, berichtete Florian Pronold (SPD), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
Starke Unterstützung gab es zudem vom Förderverein Neue Regensburger Synagoge. „Er besteht aus 65 nichtjüdischen Bürgern. Sie machten Spendenaufrufe und gewannen viele neue Fürsprecher. Rund 750000 Euro konnten sie für das Projekt beschaffen“, lobte die Bürgermeisterin. Der Altbau des Gemeindezentrums wird für 2,4 Millionen saniert. „1,2 Millionen gibt es vom Freistaat Bayern. Das ist gut angelegtes Geld“, versicherte Bartelt. Die anderen 50 Prozent muss die jüdische Gemeinde selbst aufwenden. „Traditionell ist das Richtfest das Fest der Bauleute“, sagte Staab und übergab damit das Schlusswort an Tischler Thomas Scheibe. Er durfte den Richtspruch sprechen und weihte den Rohbau offiziell auf dem Dach des Gebäudes ein.