Wenn es um das Thema Erziehung im Judentum geht, fällt auf, dass sie einen zentralen Stellenwert einnimmt. Dabei wird nicht nur großer Wert auf die Vorbild – und Vermittlungsmethoden gelegt, sondern auch im Talmud die Alterseignung bei der Lernvermittlung berücksichtigt. Ein besonderer Feiertag, an dem die Kinder und ihre Erziehung eine herausragende Rolle spielen, ist Pessach. Bei diesem Fest stehen zahlreiche Bräuche und Anreizmethoden im Mittelpunkt, um die Kinder aktiv in den Pessach-Seder einzubeziehen. Doch warum bekommt gerade dieser Feiertag eine so große Bedeutung für die Erziehung der Kinder im Judentum?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns mit der Bedeutung von Pessach und vor allem dem Pessach-Seder auseinandersetzen. Am ersten Abend des Festes wird die Hagada gelesen, die den Verlauf des Abends sowie das Qual der Juden und die zehn Plagen schildert. Die Hagada ist jedoch nicht einfach nur ein Bericht, sondern eine Geschichte, die die Botschaft des Abends vermitteln soll.
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns mit der Bedeutung des Pesach-Festes und insbesondere des Pesach-Seders auseinandersetzen. Am ersten Abend des Pesach-Festes lesen wir die Haggada, die von dem Wort „Naged“ abgeleitet ist, was übersetzt „erzählen“ bedeutet. In der Haggada wird der gesamte Ablauf des Pesach-Abends aufgeschrieben. Neben wichtigen Komponenten wie Kiddusch, Hallel und Birkat Hamazon werden auch die Leiden der Juden und die zehn Plagen, die über Ägypten kamen, beschrieben. Dabei wird jedoch nicht einfach ein Bericht wiedergegeben, sondern eine Geschichte erzählt. Der Unterschied zwischen den beiden liegt darin, dass bei einer Geschichte darauf geachtet wird, dass die Botschaft, die in ihr steckt, beim Zuhörer gut ankommt. Wenn man einem Kind eine Geschichte erzählt, damit es etwas daraus lernen kann, wird man dies nicht in Form eines trockenen Berichts tun, sondern möglichst lebendig, damit das Kind nicht nur den Inhalt merkt, sondern auch die Schlussfolgerungen selbst ziehen kann.
Genau das ist mit der Anweisung gemeint, die uns unsere Weisen für diesen Abend gegeben haben: „Weigadta leBanecha...“ – „Und du sollst deinen Kindern (von den Geschehnissen in Ägypten) erzählen...“. Hierbei sollte man den Schwerpunkt auf das Wort „erzählen“ legen. Man soll den Kindern nicht nur die Informationen über das, was geschehen ist, vermitteln, sondern auch die Botschaft dieses Abends. Deshalb werden alle möglichen Mittel eingesetzt, um diese Aufgabe erfolgreich auszuführen. Die Kinder werden in den Verlauf des Seders einbezogen, es werden Süßigkeiten verteilt, Spiele gespielt und alles andere unternommen, um die Aufmerksamkeit der Kinder auf das zu lenken, was im Pesach-Seder erzählt wird.
An diesem Abend haben wir eine wichtige und fundamentale Botschaft zu vermitteln – die Natur des jüdischen Volkes. Der Auszug aus Ägypten war der Moment, in dem das jüdische Volk geboren wurde. Daher war es wichtig, die Natur dieses Volkes zu zeigen. Gott wollte seinem Volk zeigen, dass seine Existenz vollständig von ihm abhängt und nicht den Naturgesetzen, der Logik oder anderen Völkern unterworfen ist. Wir sind völlig in den Händen des Allmächtigen. Deshalb gab es in der Geschichte unseres Volkes mehrere Versuche, uns auszurotten – physisch und kulturell. Aber am Ende sind diese Völker und Kulturen verschwunden, während wir immer noch hier sind, da unsere Existenz eine persönliche Angelegenheit des Ewigen ist.
Durch die persönliche Einmischung wollte Gott uns sein Verhältnis zu uns zeigen und uns mitteilen, dass wir seine persönliche Angelegenheit sind. Ihm war es wichtig, dass wir als Volk seinen Namen tragen und durch unser Leben und Verhalten den anderen Völkern zeigen, dass es einen Gott in dieser Welt gibt. Wir sind ein Teil seines Plans, und nichts kann auf dem Weg zur Erfüllung dieses Plans stehen.
Diese Gedanken geben uns eine Vorstellung davon, was das jüdische Volk ist und was sein Kern und unsere Funktion in dieser Welt sind. Es ist daher enorm wichtig für unsere Kinder und für uns, dass wir die Botschaft des Pesach-Abends verstehen und verinnerlichen. Lasst uns den Pesach-Seder nutzen, um unser Volk besser kennenzulernen.
Pesach Sameach